Im September 2005 veröffentlichte ich als Herausgeber gemeinsam mit dem Autor Simron Jit Singh das Buch „The Nicobars Islands. Cultural Choices in the Aftermath of the Tsunami“ (Czernin Verlag). Es handelt von jener Inselgruppe im Indischen Ozean, die von dem Tsunami im Dezember 2004 massiv in Mitleidenschaft gezogen worden war. Singh beschreibt die Kultur der lange abgeschieden lebenden Menschen – und die Konfrontation mit der Gegenwart, die wie ein zweiter Tsunami in Form von Hilfsmaßnahmen und Bürokratie über die Inselgruppe hinweg rollte. (Wie unterlegen die indigene Bevölkerung bei diesen Konfrontationen ist, davon berichtet der Observer Anfang 2012 mit einem Beispiel von der benachbarten Inselgruppe der Andamanen.)
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11|12|08: Patrick Leigh Fermor
Mein erster Kontakt mit Patrick Leigh Fermor war ein mickriges Buch, vor dessen Erwerb und Kenntnisnahme ich in meiner Sachbuch-Kolumne im Mai 2011 warnte. Im Juni 2011 starb Leigh Fermor. Die Nachrufe waren überwältigend in Anzahl und Zuneigung. Bei der Lektüre der beiden Bücher über Leigh Fermors Wanderung quer durch Europa, wurde mir klar, warum er so verehrt wurde. Für das Universum Magazin (hier das PDF) habe ich mich auf Fermors Zeit in Österreich im März 1934 konzentriert.
11|11|21: Lauter Ausländer, lauter Wiener (1997/2000)
Ernst Schmiederer hat mich vor einigen Tagen an ein Plakat erinnert, dass ich 1997 für einen Wettbewerb der Stadt Wien entworfen habe. Der Entwurf wurde mit einem Trostpreis (einem Solartaschenrechner, wenn ich mich richtig erinnere) honoriert. Die Idee war mir aber so wichtig und schien mir so brauchbar, dass ich Max Koch, damals Leiter des inzwischen verblichenen Wiener Integrationsfonds, das Sujet anbot. Einem Vertrag vom August 1997 zufolge ließ der Fonds je 1000 Plakate in DIN A1 und DIN A2 anfertigen. Eines davon fand seinen Weg in die Handelsakademie Polgarstraße in Wien-Donaustadt, wo Ernst Schmiederer dieser Tage das Plakat wieder entdeckte.
Im Jahr 2000 wurde der Entwurf von der Initiative Minderheiten in die Plakatausstellung „Am Anfang war der Kolaric“ aufgenommen. Die erste Station dieser Ausstellung war das psychosoziale Zentrum Esra in Wien-Leopoldstadt. Anläßlich der Eröffnung der Ausstellung am 23. März 2000 habe ich den Begleittext zu dem Plakat zu einer Rede erweitert.
11|11|13: Die Weltreise der Saida
Rudi Palla ist ein Spezialist für die Bergung und Aufbereitung verschütteter Kulturschätze. Diesmal sind es keine verschwundenen Berufe, die er uns in Erinnerung ruft, sondern der Entdeckergeist der Donaumonarchie – mangels historischer und geopolitischer Möglichkeiten frei von kolonialen Ambitionen. Von 1884 bis 1886 segelte die Korvette „Saida“, das letzte vom Stapel gelaufene Segelschiff der k. k. Kriegsmarine, um die halbe Welt, einerseits, um künftige Marineoffiziere auszubilden, andererseits, um handelspolitische und konsularische Interessen zu verfolgen. Palla zeichnet anhand der bislang unveröffentlichten Tagebuchaufzeichnungen des Kommandanten Heinrich Fayenz den Alltag auf dem Schiff und bei den Landgängen nach. Die Fahrt ging von Europa nach Südamerika, Südafrika, Australien, Neuseeland, Ozeanien, Indonesien, Ceylon und durch den Suezkanal zurück: 284 Tage auf See und 204 Tage in Häfen, sorgfältig dokumentiert durch grandiose Fotografien, die der verdienstvolle Verleger Christian Brandstätter gesichert hat. Das Dokument einer Epoche, als sich Österreich noch für Regionen jenseits des Grießnockerlsuppentellerrandes interessierte.
„Saida“ von Rudi Palla, Christian Brandstätter Verlag, 128 Seiten, Euro 39,90
Weiter zu allen Sachbuchrezensionen im Universum Magazin, November 2011
11|11|07: Der Höhlenmensch
Universum Magazin, November 2011
Der Höhlenmensch
Werner Herzog dringt mit seinem jüngsten Film zu den Ursprüngen der Kultur vor . Er findet sie in einer Höhle in Südfrankreich, in der sich malende Menschen vor 33.000 Jahren verewigt haben.
Der Ursprung des Bildes liegt im Dunklen. Das ist keine Metapher, sondern die Beschreibung des optischen Vorgangs: Das Licht eines reflektierenden oder selbst leuchtenden Objekts dringt durch ein kleines Loch in einen dunklen Raum und wirft das Bild dieses Objekts auf die Rückseite des Raumes – das Prinzip der Camera obscura, auf dem alle analogen Fotoapparate und Filmkameras basieren. Entwicklungsgeschichtlich markiert dieses Prinzip den Übergang zur Wahrnehmung von Bildern, wenn auch in sehr vereinfachter Form: Während Seesterne und Quallen mit ihren sogenannten Flachaugen nur Kontraste unterscheiden können, ist es Kopffüßlern wie den Perlbooten mit ihren Lochaugen möglich, tatsächlich Bilder von Objekten zu sehen.
11|10|02: Mit Charme und Lavendel
Die deutsche Ausgabe von National Geographic präsentiert in der Serie „Das gute Beispiel“ Menschen, die ökologische Utopien wahr werden lassen. Für die Oktober-Ausgabe 2011 wurde ich eingeladen, die Hotel-Chefin Michaela Reitterer zu porträtieren, die in Wien das weltweit erste Hotel mit Null-Energie-Bilanz entwickelt und 2009 eröffnet hat.
National Geographic Deutschland, Oktober 2011
Mit Charme und Lavendel
Unsere Welt kann nur dann dauerhaft lebenswert bleiben, wenn wir uns am Prinzip der Nachhaltigkeit orientieren. Wir stellen Menschen vor, die ökologisch, ökonomisch oder sozial nachhaltig handeln. Vorbilder wie Michaela Reitterer, die mitten in Wien das weltweit erste Hotel mit Null-Energie-Bilanz führt.
Hotels rühmen sich gemeinhin ihres Komforts, ihrer Sauberkeit und ihrer Lage. Das „Boutique Hotel Stadthalle“ aber heißt seine Gäste auf der Stirnwand des Foyers in großen Lettern „herzlich willkommen im weltweit ersten Stadthotel mit Null-Energie-Bilanz“. Das muss man sich trauen. Doch an der Rezeption haben Dora, Stefania und Monika an einem heißen Juli-Nachmittag alle Hände voll zu tun. Gerade sind zwei Familien und eine Gruppe von Freunden eingetroffen. Sie erhalten Keycards, einen Hinweis auf die Fahrradgarage und die Aussicht auf Rabatt: Wer mit Bahn oder Rad anreist, spart zehn Prozent.
Die Frau, die mit dem Charme eines TÜV-Verfahrens für ihr Hotel wirbt, ist Michaela Reitterer, die Direktorin und Eigentümerin. Im Wiener Dialekt würde sie eine „fesche Gretl“ heißen: Sie ist attraktiv, trägt semi-legeren Business-Dress, Modeschmuck aus dem letzten Urlaub und am Handgelenk die sportive Uhr einer Nobelmarke. Flott gesprochen könnte man auch „resche Gretl“ hören. Das bedeutet – höflich formuliert – eine durchsetzungsfähige Persönlichkeit, die sich nicht so leicht die Butter vom Brot nehmen lässt: «Ich hab in den letzten Jahren so oft gehört: ‹Das geht nicht.› Wenn ich das ernst genommen hätte, wäre ich nicht dort, wo ich heute bin.» Nämlich im Zentrum der Aufmerksamkeit von ökologisch interessierten Kollegen – «Grad hab ich acht Hoteldirektoren aus China da g’habt.» –, Touristikern und Stadtplanern. Ihr Hotel steht auf den Reiseplänen von gut 15000 Gästen pro Jahr, die ihm zu 44000 Übernachtungen in 80 Zimmern mit 147 Betten verhelfen. Auslastung: 82 Prozent. Weiterlesen
11|09|08: Eierlikör in Alpbach
Universum Magazin, September 2011
Eierlikör in Alpbach
Die Technologiegespräche präsentieren sich einmal mehr als unsortiertes Themenbüschel – mit bemerkenswerten Knospen und Blüten.
Das Jahresmotto des Europäischen Forums Alpbach ist üblicherweise von stuppender Schlichtheit, intellektuell irgendwo zwischen Schulaufsatz und Regierungserklärung angesiedelt. Der diesjährige Titel („Gerechtigkeit – Verantwortung für die Zukunft“) bildete da keine Ausnahme. Das ist zum einen der an sich nicht zu bewältigenden Aufgabe geschuldet, ein Themenbüschel subsummieren zu müssen, das den chinesischen Städtebau genau so umfasst wie die österreichische Vorsorgemedizin und die innenpolitischen Umwälzungen in Liechtenstein. Der zweite Grund für die holzschnittartige Kargheit des Mottos, die den Figuren in den Weihnachtskrippen der Tiroler Stuben gut ansteht, ist seine Irrelevanz: Jeder Vortrag, jeder Arbeitskreis der zwischen Mitte August und Anfang September abgehaltenen insgesamt 15 Blöcke dient vor allen anderen Dingen im günstigsten Fall der Unterhaltung, im seltenen Fall sogar der Aufklärung des jeweiligen Zielpublikums, und nicht der Herstellung eines überspannenden Themengeflechts. Mehr als drei Tage in Folge ist praktisch kein Gast anwesend, das veranstaltende Personal und einige außerordentlich hartgesottene JournalistInnen ausgenommen.
11|07|28: Drei Wochen Urlaub (für wen auch immer)
„Wie lange sind fünf Stunden?“ – „Woher soll ich wissen, wo meine Zahnspange ist?“ – „Ohne Geschirrspüler?“ – „Ich weiß schon, warum ich vorgestern die Tasche mit dem feuchten Handtuch und den Seeigeln nicht ausgeräumt habe. Ich hab meinen Nintendo aufladen müssen.“ – „Was ist der Code für Dein iPhone?“ – „Aber ich muß auf Facebook“ – „Ich weiß nicht, wo meine Badeschuhe sind. Ich hab sie ja nicht weggeräumt.“ – „Wozu ist die Bürste neben dem Klo nochmal da?“ – „Und die ganzen Ameisen in meinem Bett sind nur da wegen dem Wurstbrot von gestern?“ – „Ah, das sind die Cornflakes, die so stinken. Ich hab geglaubt, das sind meine Füße.“ – „Wie, mit Seife? Und Shampoo?“ – „Also ich hab die Spielanleitung nicht zum Altpapier gegeben.“ – „Ok, ich hab die Schuhe über Nacht im Regen stehen lassen. Aber dafür sind sie jetzt sauber.“ – „Das ist erst die dritte DVD, die wir uns anschauen.“ – „Wie? Mathebuch. Welches Mathebuch?“ – „Und gehen müssen wir auch?“ – „Wir wollten eh, aber der Nachbar hat gefragt, ob wir erst ab 17 Uhr Basketball spielen können, weil er grad eine Gehirnoperation gehabt hat.“ – „Warum soll mir von einer Stange Salami schlecht werden?“ – „Das ist halt so, dass mir das Cola durch die Nase kommt, wenn ich lachen muß.“ – „Nein, ich hab keine andere Sorgen als meine Frisur.“ – „Du kannst das T-Shirt am Boden liegen lassen, ich zieh es eh wieder morgen an.“ – „Ich weiß auch nicht, warum ich keine sauberen Unterhosen mehr habe.“ – „Ich brauch ein neues Tauchermesser, mein altes ist rostig.“ – „Was heißt Apfeltasche auf Slowenisch?“
11|07|21: Im Wald der Metropolen
Die Verdienste des Karl-Markus Gauß sind mannigfaltig, seine Entdeckungen literarischer und linguistischer Natur verblüffend. Mit seinen Expeditionen zu untergehenden Ethnien (zB „Die sterbenden Europäer„) und hoffnungslos marginalisierten Minderheiten (zB „Die Hundeesser von Svinia„, Bild) hat Gauß die letzten Spurenelemente vormals vorhandener Vielfalt Europas dokumentiert – und somit das offiziöse Bekenntnis zu dieser Vielfalt als Heuchelei enttarnt. Auch die Art seiner Erkundungen verdient Anerkennung: Der Zeit weist Gauß eine subalterne Rolle zu. Weiterlesen
Das Leben, ein Computerspiel
Universum Magazin, Mai 2011
Das Leben, ein Computerspiel
Ein neues Museum in Berlin würdigt Supermario, die Sims und Doodle Jump als Akteure der Kulturgeschichte und Triebkräfte von Computerinnovationen
Der Untergang des Abendlandes findet in Berlin vier Kilometer von der legendären Museumsinsel entfernt statt, wo das Antlitz der Nofretete in erhabener Schönheit über die Besuchermassen hinweg blickt, die von den Ausmaßen des legendären Pergamon-Altars überwältigt sind. „Komm, ich zeige dir ein Exponat aus dem 20. Jahrhundert“, lockt Tim eine junge Besucherin. Tim ist 15 Jahre alt und macht gerade ein Berufspraktikum im Computerspielemuseum: Berlins jüngster Schausammlung, die zu Jahresbeginn 2011 eröffnet wurde.