Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels Anfang Februar war die Rekonstruktion von Ötzi noch geheim, am 1. März hat das Südtiroler Archäologiemuseum das neue Antlitz von Ötzi enthüllt. Laut Erwin Brunner von National Geographic Deutschland schaut uns „ein Senner oder Bergbauer an, der den Sommer auf der Alm verbracht hat.“
Universum Magazin, Februar 2011
Ötzi tau(ch)t wieder auf
20 Jahre nach der Entdeckung der Gletschermumie im Tiroler Hochgebirge verblüfft der Steinzeitmensch die Wissenschaft immer wieder mit erstaunlichen Erkenntnissen. Eine neu gestaltete Ausstellung im Bozener Archäologiemuseum präsentiert Ötzi zum Jubiläum im Kontext von komplexen Forschungsprojekten und populären Medienprojektionen.
Und da ist er wieder, der Moment der Verblüffung. Das Bild der bräunlich verschrumpelten Mumie mit der deformierten Nase, den vermeintlich leeren Augenhöhlen und dem scheinbar willkürlich verdrehten Arm wie auf einem Bild Egon Schieles gehört zu den Ikonen der Wissenschaftsgeschichte – in seiner Wirkungsmächtigkeit nur vergleichbar mit der Totenmaske des Tut-Ench-Amun oder der Venus von Willendorf. Von Angesicht zu Angesicht mit einem Menschen aus textloser Vorzeit schwindet jede zeitgenössische Abgeklärtheit und wird ersetzt durch die Anmutung von Respekt vor einem toten Menschen, in dessen geöffneten Sarg man schaut. Ein 40 x 30 cm großes Fenster gibt den Blick frei auf den Leichnam in seiner mit Eisziegeln ummauerten Kühlzelle. Darin werden die klimatischen Verhältnisse im Gletschereis simuliert, in dem Ötzi mehr als 5.000 Jahre konserviert wurde. Der Körper liegt bei -6 Grad C und 98 % Luftfeuchtigkeit auf einer Präzisionswaage, die jeden Flüssigkeitsverlust durch Erwärmung sofort registriert.