Universum Magazin, Winter 2011
Mystery Tour
Die verblüffende Reise durch die Wunderwelt der Mathematik
„Angstlust“ ist wahrscheinlich die trefflichste Erklärung für die dauerhafte Präsenz von populären Büchern über Mathematik. Oft genug aber offenbaren derartige Titeln Defizite in der Vermittlung oder der Komplexität der Materie. Marcus Du Satoy glänzt auf beiden Gebieten. Als Mathe-Professor in Oxford (und Nachfolger des rabiaten Aufklärers Richard Dawkins) versteht er sein wissenschaftliches Handwerk. Und für seine Fertigkeiten als Autor wurde er unter anderem schon mit dem Faraday-Preis ausgezeichnet. Seine aktuelle „Mystery Tour“ ist ein ebenso intelligenter wie verspielter Krimi mit fünf Tatorten und fünf spannenden Fällen. Eine eigens für das Buch entworfenen Website verlockt die Leserschaft selber Hand an die Zahlen zu legen. Definitiv eine Empfehlung.
„Mystery Tour“ von Marcus Du Sautoy, übersetzt von Stephan Gebauer, C.H.Beck, 318 Seiten, Euro 20,60
Im Haus der Weisheit
Die arabischen Wissenschaften als Fundament der westlichen Kultur
Dass die Beziehungen zwischen dem Westen und der islamischen Welt problematisch sind, ist evident. In beiden Lagern haben es Hetzer leicht, böse Emotionen zu schüren. Umso wichtiger ist es, Stimmen der Vernunft ein Gehör zu verschaffen. Der britische Atomphysiker Jim Al-Khalili ist so eine Stimme. In Bagdad geboren und in England sozialisiert kennt Al-Khalili beide Kulturen. In seiner von britischen LeserInnen und Medien hoch gelobten Studie schlägt der Autor einen Bogen von der Bewahrung der Texte griechischer Philosophen im Bagdad des 8. Jahrhunderts über die Vermittlung der Mathematik bis in die aktuelle Gegenwart. Frei von Schuldzuweisungen wie vermeintlicher kolonialer Knechtung durch den Westen beziehungsweise inhärenter Rückständigkeit des Islams erzählt Al-Khalili von dem Refugium, das der Orient dem Wissen des Okzident bot. Vorangestellt ist dem Buch ein Zitat des Propheten: „Die Tinte des Gelehrten ist heiliger als das Blut des Märtyrers.“ In seiner Schlichtheit fast schon rührend, umreißt das Zitat das Potenzial, das eine Begegnung getragen von Vernunft und Respekt bergen könnte.
„Im Haus der Weisheit“ von Jim Al-Khalili, übersetzt von Sebastian Vogel, S.Fischer, 444 Seiten, Euro 23,60
Wissenschaftsbuch des Jahres
Auch heuer ruft das Wissenschaftsministerium zur Wahl des besten Wissenschaftsbuchs auf. Bis 9. Januar kann die Stimme auf der Website abgegeben werden. Universum-LeserInnen wird die Selektion der Fachjury ziemlich bekannt vorkommen, wurden doch etliche Titel im Lauf des Jahres in der Sachbuch-Kolumne vorgestellt.
Naturwissenschaft/Technik stehen außer den beiden oben angeführten Büchern folgende Titel zur Auswahl: Hugo Aldersey-Williams: „Das wilde Leben der Elemente“ (Hanser), H. Czichos/O. Hahn: „Was ist falsch am falschen Rembrandt“ (Hanser) und H. Wormer/M. Dietz: „Endlich Mitwisser!“ (KiWi).
In der Kategorie Medizin/Biologie haben es in die Endauswahl geschafft: T. Hürter: „Du bist, was du schläfst“ (Piper), L. Frank: „Mein wundervolles Genom“ (Hanser), A. Damasio: „Selbst ist der Mensch“ (Siedler), P. Greenberg: „Vier Fische: Wie das Meer auf unseren Teller kommt“ (Berlin Verlag). Redaktionsfavorit in dieser Kategorie ist Renée Schroeder/Ursel Nendzig: „Die Henne und das Ei“ (Residenz).
In der Kategorie Geistes-/Sozial-/Kulturwissenschaft finden sich Bill Bryson: „Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge“ (Goldmann), P. Englund: „Schönheit und Schrecken“ (Rowohlt), M. Lüders: „Tage des Zorns“, T. Snyder: „Bloodlands“ (beide C. H. Beck) und D. Saunders: „Arrival City“ (Blessing).
In der Kategorie Junior Wissensbücher nominierte zusätzlich zur Experten-Jury eine Kinder- und eine Juniorjury ihre Favoriten: C. Ehgartner/E. Mougin: „Lilly kleckst“ (Nilpferd), M.T. Traserra/O. Julve: „31 Elefanten oder wie lang sind 100 Meter?“, Metropolitan Museum: „Was siehst du?“ (beide Knesebeck), O. Brenifier/J. Deprés/N. Bolz: „Was, wenn es nur so aussieht, als wäre ich da?“ (Gabriel), A: Dingle: „Wie man aus 92 Elementen ein ganzes Universum macht“ (Bloomsbury) und K. Smith: „Wie man sich die Welt erlebt“ (Kunstmann)
Die Publikumswahl und die komplette Liste im Internet: www.wissenschaftsbuch.at
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