20|03|12: Bildet digitale Banden

Als Veranstalter des Wissenschaftsballs am 25. Jänner sind der durchführende Verein, mein Team und ich gerade nochmal davongekommen; Ende Jänner war noch keine Rede von massenhaften Absagen. Gedanken mache ich mir trotzdem, und zwar zur Wirkung von sozialer Isolation auf das Publikum und die vielen Künstler*innen, die so wesentlich zum Erfolg des Wissenschaftsballs beitragen. Ich hätte da ein paar Vorschläge:

Bildet digitale Banden

Die Bundesregierung empfiehlt die immunologisch gebotene Einschränkung sozialer Kontakte. Die Nebenwirkungen sollten sofort bekämpft werden.

Musikverein, Wien, 12.3.2020 / © Oliver Lehmann

Der Ratschlag des Bundeskanzlers ist medizinisch sinnvoll. Trotzdem liest er sich wie eine Anweisung aus einem Handbuch des Schreckens: „Den wichtigsten Beitrag kann aber jeder und jede Einzelne leisten, indem wir alle versuchen, soziale Kontakte in den nächsten Wochen möglichst einzuschränken.“[1] Vereinzelung und Vereinsamung werden die heftigsten gesellschaftlichen Nebenwirkungen der Bekämpfung des Corona-Virus sein. 

Die Vereinsamung wird zunächst als individuelles Problem wahrgenommen. Mit heutigem Stand wird der überragende Teil der Bevölkerung nicht unmittelbar von dem Virus selbst und damit (bei mildem Verlauf) von der Quarantäne in den eigenen vier Wänden betroffen sein – aber vorhersehbarerweise von der eingeforderten Einschränkung der sozialen Kontakte. 

Mehrere Studien aus jüngerer Zeit dokumentieren die verblüffend heftige Wirkung von Einsamkeit. Im Oktober 2019 stellten Psycholog*innen, Mediziner*innen und Alternsforscher*innen der University of California San Diego in einer Studie fest: „Einsamkeit kann in Zusammenhang gebracht werden mit schlechtem psychischen Zustand (wie z.B. Depression, Hoffnungslosigkeit, Drogenmißbrauch und kognitive Einschränkungen), physischem Zustand,  (falsche Ernährung, Einschränkung motorischer Fähigkeiten, Bluthochdruck, Schlafstörungen, Gebrechlichkeit) sowie einer erhöhten Sterblichkeitsrate.” [2] Ein besonders verblüffendes Ergebnis: Die Wahrnehmung der eigenen Existenz als einsam beschränkt sich nicht auf ein bestimmtes Alter, sondern wird in den späten 20ern, mittleren 50ern und späten 80ern stärker wahrgenommen.

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20|01|26: Sei wie Greta

Editorial des Ballmagazins 2020

Politiker*innen und Wissenschafter*innen gingen einander lange aus dem Weg sehen wir von Ausnahmen wie der Chemikerin Margaret Thatcher, der Physikerin Angela Merkel oder dem Biologen Michael Häupl ab. Meist ist gerade die Grundlagenforschung einfach zu kompliziert, als dass sie sich in die schnelle und oft überhitzte Sprache der sozialen und klassischen Medien, gar im Wahlkampf, übertragen ließe. 

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19|12|18: Vom Prototyp zum Erfolgsmodell

Zwar nicht in BoB, aber immerhin im X-Mas-Falter: Chefredakteur Florian Klenk hat mich eingeladen, den Regierungsverhandler*innen ein paar Maßnahmen zur längst überfälligen Basisfinanzierung der Grundlagenforschung in den Weihnachtsstrumpf zu stopfen. Hier die etwas längere Ursprungsfassung mit dem entsprechenden Zahlenwerk. Zur Falter Weihnachtsausgabe hier entlang

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19|11|23: 60 Jahre LiterarMechana

Im Jahr 2017 wurde ich von dem Präsidenten der LiterarMechana, Alexander Potyka, gefragt, ob ich mich der Wahl zur Mitgliederhauptversammlung der LiterarMechana stellen würde. Seitdem übe ich die Funktion als Delegierter der AutorInnenkurie in diesem Gremium aus, das – neben dem Aufsichtsrat – eine Kontrollfunktion gegenüber der Geschäftsführung hat. Die wesentliche Arbeit erledigt die Geschäftsstelle der LiterarMechana unter der umsichtigen und akkuraten Leitung von Sandra Csillag. Nie würde die Geschäftsführerin eine derart vereinfachte Darstellung der Tätigkeiten der LiterarMechana vornehmen, wie ich sie mir hier erlaube: Im letzten Geschäftsjahr (2018) verteilte die LiterarMechana knapp € 50 Millionen Euro, die durch die Erstattung an Rechten für geistige Arbeit erwirtschaftet wurden, an ihre knapp 40.000 Mitglieder. Meine sehr übersichtliche Tätigkeit als Delegierter ist letztlich nichts anderes als Ausdruck der Solidarität zu diesem System der Rechtevergütung für geistige Arbeit.

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19|11|09: Mein Fall der Berliner Mauer (1989)

Hier meine 10 Pfennig zum Mauerfall: Im Herbst 1989 war ich Redakteur bei der Wiener Stadtzeitung Falter. Die Umwälzungen in Mittel- und Osteuropa seit 1987 hatten wir mit Interesse begleitet; so hatte ich gemeinsam mit Gregor Mayer die Budapest-Seiten im Falter-Programm entwickelt. Die ungarische Hauptstadt war damals in der Endphase des „realen Sozialistismus“ bisweilen radikaler und subkultureller gepolt als Wien. Für die Etablierung dieser Seiten handelte ich mir zwar Lob aber auch den Vorwurf ein, ein verkappter Monarchist zu sein…

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19|10|08: Screening of The Aftermath

And now for something completely different. In 2005, I had the honour to publish the book „The Nicobars Islands. Cultural Choices in the Aftermath of the Tsunami“ by my friend Simron Jit Singh, then a scholar at the Institute of Social Ecology Vienna. Simron is an Indian anthropologist who’s work on the Nicobar Islands proved to tremendously exceed the enormous scientific value of the publication in itself as it became the reference book for that part of the population of the Nicobar Islands who had survived the apocalyptic Tsunami of Christmas 2004. With this book the survivors were at least partly enabled to re-establish their culture in spiritual and material terms. At the same time the population had to struggle with a second aftermath, that of aid organizations, bureaucracy, and the general onslaught of „civilisation“. In 2014, Raphael Barth presented his film „Aftermath-The second flood“ re-telling these events and processes. The screening of this film next week at the Boku Kino will be followed by a panel discussion, among others yours truly participating, hosted by the formidable Verena Winiwarter and organized by BOKU – Universität für Bodenkultur Wien, Boku Kino, and Österreichische Akademie der Wissenschaften. The book was published by Czernin Verlag and should still be in stock. The foreword can be found here. Do come.

Edit 19|10|08: The research project on the negative impact of disaster aid was conducted by Marina Fischer-Kowalski (Institute of Social Ecology) and her team, and funded by the Austrian Science Fund (FWF). For more see abstract

Presentation of the book in September 2005 with Austria’s Federal President Heinz Fischer and a delegation from the Nicobars at the chancellery of the president in the former imperial palace in Vienna. / © Oliver Lehmann

19|09|08: Civis romanus sum

Ein Abendessen. Mein Tischnachbar ist Rudi, 91 Jahre alt, ein Weltweiser und Überlebender des 20. Jahrhunderts. Rudi erkundigt sich bei der Gastgeberin nach der Familiengeschichte einer Besucherin aus Kanada, die am anderen Ende der Tafel sitzt, und fragt dann, ob ihr Urgroßvater ein Wiener gewesen sei. Die Gastgeberin überlegt: ‚Nein, ich glaube, er war aus Czernowitz.‘ Rudi, ein wenig störrisch: ‚Was ich sag: ein Wiener.‘ Vorhang.

Edit 19|09|24: Ein sehr schönes Porträt von Rudolf Schönwald hat Erich Klein für den Anzeiger (Das Magazin der österreichischen Buchbranche), Ausgabe 9/19, verfasst: https://issuu.com/falter.at/docs/anzeiger_9-19_web/36

19|08|17: „Küsse, Bisse“

Ein Schlachthof als Location und Kleists „Penthesileia“ als szenische Lesung von vier (!) Stunden – das klingt erstmal anstrengend. Aber was Anne Bennent gemeinsam mit Gitarrist Karl Ritter beim Hin & Weg Theaterfestival in Litschau (btw, fabelhaft co-kuratiert von Katharina Stemberger und Ernst Molden) auf die Bühne stellt, ist be- und entrückend, extrem eindrucksvoll, sehr bewegend und hiermit nachdrücklich empfohlen, nicht zuletzt weil Anne Bennent all jene ZuschauerInnen, die bis zum Schluss trotz in Salz gesiedetem Schweineherz und Rindszunge als Pausenbuffet durchhalten, mit einem Kuß belohnt, aber: Vorsicht, denn „Küsse, Bisse, das reimt sich, und wer recht von Herzen liebt, kann schon das eine für das andre greifen“. Und noch eins: Nach der Aufführung wird man sich duschen wollen – wegen des Ambientes, aber vielleicht auch wegen des Textes.