Die Verlockung kennt jeder: Einmal Aussteigen und sei es nur auf Zeit. Iris Hammelmann hat den Schritt 2011 gewagt und ist mit einem äußerst lesenswerten und hübschen Buch zurückgekommen. Statt auf die vordergründige Auflistung von mehr oder weniger prominenten beziehungsweise freiwilligen Aussteigern zu setzen hat sie die Exponenten in fünf Kapitel klug gegliedert. Weiterlesen
13|03|22: Nackte Maulbeeren
Der Untertitel stellt klar, dass es sich bei dem Buch nicht um ein Nachschlagewerk des botanischen Halbwissens geht. Im Gegenteil, höchst profund vermittelt Autorin Ute Woltron “Selbstgemachte Köstlichkeiten aus Natur & Garten”, quasi die Fortsetzung zu ihrem Überraschungserfolg aus dem Jahr 2011 “99 Genüsse, die man nicht kaufen kann.” Weiterlesen
13|03|18: Der Sommer des Jahrhunderts
Das Konzept mutet bekannt an: Philipp Blom hat 2009 mit „Der taumelnde Kontinent“ ein ähnliches Pasticcio vorgelegt, das wie alle derartige Geschichtsklitterungen auf einem möglichst enzyklopädischen Wissen des Autors und dessen Gelassenheit bei der Auswahl der vermeintlich entscheidenden Ereignisse basiert. Weiterlesen
13|03|14: Der kultivierte Affe
Nur wenige Begegnungen vermögen so grundsätzliche Verstörungen beim Menschen auszulösen wie ein Besuch im Affenhaus. Die offensichtliche Diskrepanz zum Menschenaffen, der aus einem Jutesack einen Schlafplatz drapiert, wird überlagert von der unabweisbaren Ähnlichkeit in Ausdruck, Blick und Wahrnehmung. Weiterlesen
13|03|09: Hungerkur auf dem Küniglberg
„Kommentar der anderen“ in Der Standard 9./10.3.2013
Mit der Ausstrahlung der Pseudo-Doku über Lichtnahrung macht der ORF nicht nur seine eigenen Mitarbeiter lächerlich; er fördert insgesamt die Marginalisierung des Wissenschaftsjournalismus.
Die Fragwürdigkeit des Films „Am Anfang war das Licht“ ist unter anderem von Klaus Taschwer ausführlich und bereits 2011 im Standard belegt worden. Die Ausstrahlung verweist auf ein prinzipielles Problem: Es geht um die kontinuierliche Marginalisierung von Wissenschaft in Leitmedien wie dem ORF mit den entsprechenden Folgen erst für die Kommunikation und dann für das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Der Duden definiert „Marginalisierung“ als „Abschiebung ins Abseits“, in diesem Fall in das Abseits der medialen Wahrnehmung und damit der gesellschaftlichen Diskutierbarkeit. Weiterlesen
13|03|08: Wien bleibt Wien
Der technische Aufwand ist auch nach heutigen Maßstäben beeindruckend: An einem Augusttag des Jahres 1860 hievten ein Fotograf der k. k. Hof- und Staatsdruckerei und seine Gehilfen eine riesige Kamera sowie mindestens zwölf große Glasplatten auf den Südturm von St. Stephan, um fast von der Turmspitze aus mehrere Tage lang das Wiener Stadtgebiet fotografisch aufzunehmen und die Aufnahmen in einem mitgebrachten Dunkelkammerzelt an Ort und Stelle zu entwickeln. Weiterlesen
13|03|06: Pseu[:do:]ku verhöhnt Wissenschaftsjournalismus
Was zu der ebenso dubiosen wie absurden Pseu[:do:]ku „Am Anfang war das Licht“ zu sagen ist, hat Klaus Taschwer bereits 2011 umfassend im Standard festgehalten. Dass der ORF aber heute dieses Dummheit im Hauptabendprogramm ausstrahlt, ist schlichtweg gemeingefährlich. Die Programmverantwortlichen des ORF Fernsehen (Information oder Unterhaltung?) verhöhnen damit die exzellente Arbeit vieler ORF MitarbeiterInnen, die unter schwierigen Bedingungen konstant die ebenso wichtige wie oft mühsame Vermittlungsarbeit zwischen Gesellschaft und Wissenschaft leisten und damit wesentlich zu einer Grundfunktion eines öfffentlich-rechtlichen Rundfunks beitragen. Zeit für eine Debatte über eine Wissenschaftsleiste im ORF Fernsehen, die diesen Namen verdient.
13|02|24: Der Zoo im Kopf
Der Zoo hat sich in den letzten Jahrzehnten enorm gewandelt. War er lange in der Nähe der Jahrmarktsattraktionen angesiedelt (der Standort der Hamburger Familie Hagenbeck war zu Beginn die verruchte Reeperbahn, bevor der legendäre Tiergarten ins weitläufige Eimsbüttel übersiedelte), ist der moderne Zoo von heute ökologische Vermittlungseinrichtung und Gendatenbank für gefährdete Tierarten unter freiem Himmel. Weiterlesen
13|02|18: Tradition als Tresor
Ein Nachtrag zur Apokalypse laut Maya-Kalender? Würde man meinen, denn noch ist Jared Diamonds letztes Werk eindringlich in Erinnerung. In „Kollaps“ beschrieb der Biogeograph wie ökologisch fragile Zivilisationen sehenden Auges in die endgültige Katastrophe tappen, statt rechtzeitig umzukehren. Berühmt wurde sein Frage: „Was dachte sich der Osterinsulaner, der den letzten Baum auf dem Archipel fällte?“ In „Vermächtnis“ untersucht Diamond hingegen, „was wir von traditionellen Gesellschaften lernen können“. Weiterlesen
13|02|12: Vogelfuß und Kloakenkuss
Das semantische Verhältnis von Vögeln und Kopulation war schon immer Anlass zu manch derber Anspielung. Tatsache ist, dass das gefiederte Paarungsverhalten im Frühjahr besonders augenfällig und deswegen zum Synonym für die entsprechenden Triebe geworden ist. In keiner anderen Phase präsentieren sich Vögel derart auffällig und exaltiert: verwegene Flugmanöver, kunstvolle Tänze, betörende Gesänge, verlockende Brautgeschenke, prächtiger Fiederschmuck, absurde Balzturniere (für Spezialisten: Kampfläufer!) und aberwitzige Architekturwettbewerbe – das Werben von Vogelmännchen um das entsprechende Weibchen ist so bunt und vielfältig wie das Gefieder eines Bienenfresserschwarms. Weiterlesen