Dank ihrer inzwischen 2.000 Artikel rückt Jess Wade das Wikipedia-Universum zurecht: mit Einträgen über Frauen, People of Color und anderen Minderheiten wie LGTBQ+ Personen in der Wissenschaft. 2024 ist sie Ballbotschafterin und Ehrengast am Wissenschaftsball.
Eine interessante Geschichte, eine erste schnelle Recherche, ein Hinweis auf einen Wikipedia-Artikel. Im Fall von Jessica Wade führte das zu einem Eintrag1https://en.wikipedia.org/wiki/Jess_Wade über eine renommierte Materialwissenschaftlerin, die sich am Imperial College London mit der sogenannten Raman- Spektroskopie befasst, eine Methode zur Untersuchung von Materialeigenschaften etwa von Halbleitern oder Pigmenten – besonders relevant bei der Analyse von Kunstobjekten. So weit, so erwartbar. Weiterlesen →
„Wir leben in einer merkwürdigen Zeitung“, schrieb Kurt Tucholsky einst. Wer wollte ihm widersprechen? Wobei: Merkwürdig ist ein Hilfsausdruck. Die Zeit ist fordernd, die Meldungen aus den Krisenherden dieser Welt oft überfordernd. Und jene Zeitungen – heute: Medien –, die qualitätsvoll und bedacht Einordnung schaffen würden, stehen unter dem Druck der virtuellen und realen Schreihälse, die ein absolutistisches Verständnis von Wahrheit haben, kein dynamisches, das die Grundlage der wissenschaftlichen Methode bildet. In einer Zeit der Umbrüche mag die Sehnsucht vieler Menschen nach Eindeutigkeit verständlich sein, die Ausbeutung dieser Sehnsucht für totalitäre Zwecke ist es nicht. Weiterlesen →
Heute wurde Werner Vogt auf dem Neustifter Friedhof oberhalb von Wien zu Grabe getragen. Viel Gutes und Richtiges ist über ihn zum Abschied gesagt worden, etwa von Armin Thurnher. Als angenehm empfinde ich, dass die Heuchler diesmal schweigen; jener Typus, der sich sonst nach Kräften bemüht, Menschen wie Vogt Steine in den Weg zu rollen, ihre Schläge als vermeintliche Ratschläge tarnen, Karrieren mit Lebensläufen verwechseln, kurz: die Existenz von Renitenz als so bedrohlich für ihre Halbherzigkeit empfinden, dass sie ihre Aversionen nicht mehr als Hinterfotzigkeit tarnen können und die blinde Wut aus ihnen hervorbricht. Werner Vogt hat in hierzulande seltener Eindeutigkeit Mißstände und dafür Verantwortliche benannt. Erst in der Medizin und dann unausweichlich in Gesellschaft und Politik. Er hat sich so gegen Vereinnahmungen erfolgreich gewehrt, auch postum. Auch dafür gebührt ihm Respekt.
Erstmals wird im Medienförderungsgesetz Wissenschaftsjournalismus als Kriterium angeführt. Damit wird eine langjährige Forderung des Klubs der Wissenschaftsjournalist:innen erfüllt. Wie konnte es dazu kommen? Und was hat das für Konsequenzen?
Von Oliver Lehmann
Im Jahr 2013 Jahren stellte der Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalist:innen die Ergebnisse einer Studie zur Arbeits-, Bildungs- und Ausbildungssituation österreichischer WissenschaftsjournalistInnen vor.Der traurige Befund von damals ist noch immer gültig. Als eine der Forderungen zur Verbesserung der Situation formulierte ich als damaliger Klubvorsitzender: „Die Politik ist gefragt, Rahmenbedingungen im Kontext der Medienförderung zu schaffen, die Bildungs- und Wissenschaftsberichterstattung zur Voraussetzung für die entsprechenden Förderungen machen.“
Die Erkenntnis ist ganz simpel, auch wenn es simple Gemüter gibt, die den Zusammenhang nicht verstehen wollen: Die Rückkehr auf das Tanzparkett wird uns ermöglicht durch die Wissenschaft. Und sie wird auch nötig sein, um die ganz großen Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen: Demographie, Digitalisierung, Mobilität, Energie und Klima. Oder wie unlängst auf Twitter gesehen: „Every story is a climate story.“ Die Felder sind entweder teilweise oder ganz zentral von der Frage betroffen, wie wir den Klimawandel und seine katastrophalen Auswirkungen bewältigen werden.
Anton Zeilinger ist nicht nur ein herausragender Wissenschaftler. Ganz früh hat er die Bedeutung der Wissenschaftsvermittlung erkannt. Was erklärt, warum er so gerne auf den Wissenschaftsball geht.
Für die allermeisten frisch gekürten Nobelpreisträger (und die allermeisten sind noch immer Männer) beginnt die Planung der Preiszeremonie mit der Bestellung des allerersten Fracks ihres Lebens. Dementsprechend steif wirken die Wissenschaftler bei der Entgegennahme der Urkunde und der Medaille durch den schwedischen König. Die Einkleidung ist ohne Übung schon eine ziemliche Herausforderung; Naturwissenschaftler sind im Regelfall nicht für textile Finesse bekannt. Und sind Weste, Hemd (eigentlich ein gestärkter Latz), Elfenbeinknöpfe und weiße Masche aus Baumwollpikee erst einmal angelegt, bleibt dem Träger eigentlich gar nichts mehr üb-rig, als sehr steif und halbwegs würdig die Bühne des Stockholmer Konzerthauses zu queren und sich zu verbeugen.
Der Bedarf an ebenso faktentreuer wie publikumsorientierter Berichterstattung über Funktionsweisen und Ergebnisse der Wissenschaft ist evident. Lena Yadlapalli, Wissenschaftsautorin und Absolventin des Lehrgangs für Wissenschaftskommunikation der Universität Klagenfurt, an dem ich als Lektor mitgewirkt habe, hat dieser Tage im Auftrag der APA ein Whitepaper über Wissenschaftskommunikation verfasst. Der praxisorientierte Leitfaden enthält auch Kurzinterviews von ExpertInnen aus der Praxis, zu denen Lena freundlicherweise mich zählt. Als Bonus und zum Abschluss des Leitfadens gibt es „10 goldene Regeln fürs Vermitteln“.
Das Cover der Falter-Ausgabe 10/22 hat heftige Reaktionen ausgelöst. Ich habe mir in einem Leserbrief überlegt, warum.
Das Falter-Cover ist kein schöner Anblick, weil es ein schöner Anblick ist. Die heftigen Reaktionen dokumentieren, dass das Bild nach den Maßstäben der Covergestaltung „funktioniert“. Es kondensiert ein unfassbares Thema zur unmittelbaren Verständlichkeit. Ein einziger Blick reicht, um die Geschichte zu erfassen. Diese Geschichte wollen wir nicht hören, weil sie von Krieg und Zerstörung handelt, und von dem möglichen Tod des abgebildeten Paares. Der Reflex ist nachvollziehbar, aber er hilft nicht bei der Analyse.
Wozu Wissenschaftsjournalismus? Weil es eine Instanz braucht, die Sinn von Unsinn unterscheidet, gerade wenn die Politik versagt und Landeshauptmänner ebenso panisch wie populistisch Wissenschaftler:innen verhöhnen. Gemessen an dieser Relevanz wird der Wissenschaftsjournalismus in Österreich schlecht behandelt – sowohl von den (allermeisten) Medienhäusern wie der Politik, während das Publikum gerade in Zeiten der Pandemie nüchterne Aufklärung, Erläuterung und Einordnung besonders dankbar und intensiv wahrnimmt.
Als Veranstalter des Wissenschaftsballs am 25. Jänner sind der durchführende Verein, mein Team und ich gerade nochmal davongekommen; Ende Jänner war noch keine Rede von massenhaften Absagen. Gedanken mache ich mir trotzdem, und zwar zur Wirkung von sozialer Isolation auf das Publikum und die vielen Künstler*innen, die so wesentlich zum Erfolg des Wissenschaftsballs beitragen. Ich hätte da ein paar Vorschläge:
Bildet digitale Banden
Die Bundesregierung empfiehlt die immunologisch gebotene Einschränkung sozialer Kontakte. Die Nebenwirkungen sollten sofort bekämpft werden.
Der Ratschlag des Bundeskanzlers ist medizinisch sinnvoll. Trotzdem liest er sich wie eine Anweisung aus einem Handbuch des Schreckens: „Den wichtigsten Beitrag kann aber jeder und jede Einzelne leisten, indem wir alle versuchen, soziale Kontakte in den nächsten Wochen möglichst einzuschränken.“[1] Vereinzelung und Vereinsamung werden die heftigsten gesellschaftlichen Nebenwirkungen der Bekämpfung des Corona-Virus sein.
Die Vereinsamung wird zunächst als individuelles Problem wahrgenommen. Mit heutigem Stand wird der überragende Teil der Bevölkerung nicht unmittelbar von dem Virus selbst und damit (bei mildem Verlauf) von der Quarantäne in den eigenen vier Wänden betroffen sein – aber vorhersehbarerweise von der eingeforderten Einschränkung der sozialen Kontakte.
Mehrere Studien aus jüngerer Zeit dokumentieren die verblüffend heftige Wirkung von Einsamkeit. Im Oktober 2019 stellten Psycholog*innen, Mediziner*innen und Alternsforscher*innen der University of California San Diego in einer Studie fest: „Einsamkeit kann in Zusammenhang gebracht werden mit schlechtem psychischen Zustand (wie z.B. Depression, Hoffnungslosigkeit, Drogenmißbrauch und kognitive Einschränkungen), physischem Zustand, (falsche Ernährung, Einschränkung motorischer Fähigkeiten, Bluthochdruck, Schlafstörungen, Gebrechlichkeit) sowie einer erhöhten Sterblichkeitsrate.” [2] Ein besonders verblüffendes Ergebnis: Die Wahrnehmung der eigenen Existenz als einsam beschränkt sich nicht auf ein bestimmtes Alter, sondern wird in den späten 20ern, mittleren 50ern und späten 80ern stärker wahrgenommen.