17|10|13: Carolus Clusius

Eine knapper Beitrag über einen der großen Unbekannten der österreichischen Wissenschaftsgeschichte, möglicherweise eine Anregung für eine ausführlichere Befassung irgendwann in der Zukunft.

Carolus Clusius kann als ein Gründungsvater der niederösterreichischen Wissenschaftsgeschichte beschrieben werden. Als Gelehrter von europäischem Rang gilt er als einer der Pioniere der deskriptiven Botanik. Bemerkenswert ist seine exzellente Ausbildung an den Spitzenuniversitäten seiner Zeit, seine kontinentale Vernetzung und seine interdisziplinäre Arbeitsweise – Qualitäten, wie sie auch heute hervorragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auszeichnen.

Geboren 1526 im nordfranzösischen Arras, studierte er Jus in Löwen, Marburg und Wittenberg, dem Zentrum der gerade aufkeimenden Reformation. Er wechselte zur Medizin und setzte seine Studien in Montpellier und Paris fort. 1564/65 bereiste Clusius die iberische Halbinsel gemeinsam mit dem Augsburger Bankierssohn Jakob Fugger. 1573 wurde Clusius von Kaiser Maximilian II. nach Wien berufen, um dort einen Kräutergarten für pharmakologische Zwecke einzurichten.

In Österreich erwarb sich Clusius in den nächsten 15 Jahren große wissenschaftliche Verdienste für seine Erkundungen der Botanik des Ostalpenraums. Die Arbeiten über die Pflanzenwelten der iberischen Halbinsel und Österreich-Ungarns sind die ersten größeren Standardwerke über die Flora bestimmter Länder überhaupt. Sein Werk über die Pilze ist ebenso eine wissenschaftliche Novität, nämlich die erste Monographie zu dem Thema. Botanische Exkursionen, so unter anderem auf den Dürrenstein, den Ötscher und den Schneeberg, machen Clusius zum ersten Erforscher der Alpenflora.

Sein wissenschaftliches Netzwerk erstreckte sich über ganz Europa. Entweder er reiste selbst unter heute kaum vorstellbaren Bedingungen: Alleine viermal besuchte Clusius England. Oder er stand mit seinen Fachkollegen in brieflichem Kontakt: Auf alpine Primeln, die Clusius 1582 nach Holland sandte, gehen die heutigen Gartenprimeln zurück. Der Ostalpenraum verdankt Clusius die erste Roßkastanie (1576) und die erste Kartoffel (1588). Durch Sendungen an seine Korrespondenten initiierte er die Verbreitung dieser beiden Pflanzen in weiten Teilen Europas.

1588 ging Clusius nach Frankfurt am Main, bevor er einem Ruf an die Universität Leiden folgte, wo er 1609 starb. In der biographischen Notiz des Schweizer Botanikers Hermann Christ, veröffentlicht 1913 in der Oesterreichischen Botanischen Zeitschrift, heißt es: “Er war von phänomenalem Fleiß, fromm wohltätig (…), von unglaublicher Ruhe und Heiterkeit des Geistes.”

 

Quellen:

Christ, H. (1913), “Die ungarisch-österreichische Flora des Carl Clusius vom Jahr 1583” in: Oesterreichische botanische Zeitschrift, Wien, Vol. 63, No. 4 (April 1913), pp. 159-167, [online]; http://www.biodiversitylibrary.org/bibliography/40988 (abgerufen am 25.9.2017)

Christ, H. (1913), “Die ungarisch-österreichische Flora des Carl Clusius vom Jahr 1583” in: Oesterreichische botanische Zeitschrift, Wien,
Vol. 62, No. 8/9 (August/September 1912), pp. 330-334
Vol. 62, No. 10 (Oktober 1912), pp. 393-394
Vol. 62, No. 11 (November 1912), pp. 426-430
Vol. 63, No. 3 (März 1913), pp. 131-136
Vol. 63, No. 4 (April 1913), pp. 159-167
zusammengefasst als pdf

Dolezal, H. (1957), „Clusius, Carolus“ in: Neue Deutsche Biographie 3 (1957), S. 296 f. [online]; http://www.deutsche-biographie.de/gnd118890646.html#ndbcontent (abgerufen am 25.9.2017)