Text anläßlich der Publikation von „Icons of Motion“ von Sabine Hauswirth (Echomedia Buchverlag, Wien 2017)
Ein typischer Hauswirth-Titel, zweifellos: „Icons of Motion“ verspricht Menschen voller Energie, im Idealfall sowohl geistiger wie körperlicher Natur, aufgenommen auf diversen Wiener (und einigen Warschauer) Dächern, also ob sie abheben und sich erheben über die Stadt, die sie prägen mit ihrem Wirken und Sein und manchmal auch ihren körperbetonten Herrenslips mit Tigermuster. Ganz vordergründig löst Sabine Hauswirth das Versprechen des Titels also souverän ein: Die Gesichter und die Körper sind spannungsreich dargestellt, von der Fotografin in unnachahmlicher Weise eingerichtet, mit minimalen Anweisungen die An- und Entspannung der Körperteile betreffend optimal in Szene gesetzt.
Doch das ist nur die eine Seite. Wie in analogen Zeiten der Fotografie lohnt es sich, auch das Negativ zu betrachten, in unserem Fall nicht der Bilder sondern des Titels. „Icons of Motion“ ist nämlich ein formvollendeter Widerspruch. Das Wesen der Ikone in der Kunstgeschichte der orthodoxen und byzantinischen Malerei ist es ja, eben nicht in Bewegung zu sein, gerade in klassischen, ikonographisch über Jahrhunderte hinweg überlieferten und dadurch deutbaren Posen zu verharren und die Betrachter dadurch zur Adoration zu bewegen.
Ähnlich statisch war lange Zeit die gesamthafte Ausgestaltung der Ikone. Intention des Künstlers war es nicht, seine individuelle Interpretation der Wirklichkeit anzufertigen, sondern möglichst nahe am ursprünglichen Bildnis, dem von Gotteshand gefertigten Mandylion zu bleiben. Nicht die Realität, sondern die Erfassung des Wesens hinter dem Bild, ist die Funktion der Ikone.
Und damit erweist sich der von Sabine Hauswirth gewählte Titel dieses Projekts als doppelt gelungen. Nie geht es ihr einfach um das Porträt eines halbwegs interessanten Menschen, sondern eben um die Erfassung des Wesens hinter diesem Bild, dass wir Menschen der Außenwelt zur Schau stellen. Sabine Hauswirths Kunst besteht vor allem darin, dieses Wesen zu erfassen, im entscheidenden Augenblick für eine Ewigkeit festzuhalten und so für alle anderen sicht- und erfahrbar zu machen. Die Adoration gebührt also in diesem Fall nicht der Ikone, sondern der Ikonenkünstlerin selbst.