„Neue Österreich-Ausstellung frühestens 2017“ meldet der ORF heute morgen. 2006 schrieb ich in einem „Kommentar der Anderen“ für den Standard: „Österreich wird vielleicht 70 Jahre nach dem Anschluss eine angemessene Präsentation in der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Auschwitz haben.“ Da war ich zu optimistisch.
Der Standard, 27.1.2006
Und noch ein Jahrestag…
Jahrestage eignen sich immer für Feierlichkeiten und Eröffnungen. Am 13. März 1978 zum Beispiel wurde die Ausstellung der Republik Österreich in einer der Baracken des Konzentrationslagers Auschwitz I eröffnet. Das Leitmotiv der Schau wird in großen rot-weiß-roten Lettern gleich beim Eingang verkündet: „Österreich: Das erste Opfer des Nationalsozialismus“. Seit November 2005 findet sich eine Tafel daneben, auf der erklärt wird, dass Schau und Slogan nicht mehr dem heutigen Wissensstand und Selbstverständnis entsprächen und dementsprechend geändert würden. Namenlos unterzeichnet mit „Österreichisches Generalkonsulat Krakau“.
Recherchen ergeben: Im Dezember 2004 machte die Kulturwissenschaftlerin Heidemarie Uhl von der ÖAW im Vorfeld der Gedenkfeiern zur 60. Wiederkehr der Befreiung der Häftlinge des KZ Auschwitz am 27. Jänner 2005 Bundeskanzleramt und Ministerien auf den Umstand der anachronistischen Präsentation aufmerksam; andere Nationen wie die Niederlande, Frankreich und Ungarn hatten ihre Ausstellungen in den Lagerbaracken in den letzten Jahren im Lichte neuer Erkentnisse und neuer Offenheit gegenüber der eigenen Beteiligung an der Shoa neu gestaltet. Auf Bitten Österreichs schließt am Tag der Gedenkfeiern im Jänner 2005 die polnische Verwaltung der Gedenkstätte alle nationalen Schauräume.
Ein Jahr später traf sich nun in der zweiten Jännerwoche 2006 auf Einladung des Leiters der Kultursektion im Außenamt, Emil Brix, eine Runde bestehend aus Vertretern des Innen- und Bildungsministeriums sowie Hannah Lessing vom Nationalfonds und Heidemarie Uhl. Erste Erkenntnis: Die Ausstellung wurde 1978 von der österreichischen Lagergemeinschaft Auschwitz initiiert und – so in der Baracke zu lesen – von ÖGB, AK, Stadt Wien und Bundesregierung finanziert. 40 Jahre nach dem Anschluß war die Generalisierung der Opferrolle der kleinst mögliche Nenner, auf den sich die von der SPÖ dominierten Geldgeber und die als überparteilich deklarierte Lagergemeinschaft einigen konnten. Keine Waldheim-Diskussion, kein Vranitzky-Bekenntnis, keine Restitutionsdebatte hat an der Ausstellung in Auschwitz etwas geändert.
Das Ergebnis der Runde im Außenamt: Da der Betrieb der Ausstellung nie Kosten verursacht hat, fühlt sich keine öffentliche Dienststelle dafür verantwortlich. Ein Konzept für eine Neugestaltung soll im Lauf des Jahres von Wissenschaftlern erarbeitet werden, die Finanzierung ist offen, die Kosten schätzt Brix auf eine Million Euro; möglicher Finalisierungstermin ist der März 2008; und der Nationalfonds wird als „Clearingstelle“ für alle beteiligten Ministerien eingesetzt.
Drei Lehren: Erst wenn Geld fließt, gibt’s auch Verantwortung. Der für die tatsächlichen Opfer des Nationalsozialismus konzipierte Nationalfonds soll für die Beseitigung des Opfermythos sorgen. Und: Österreich wird vielleicht 70 Jahre nach dem Anschluß eine angemessene Präsentation in der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Auschwitz haben.