In der heutigen Ausgabe von Heureka, der exzellenten Wissenschaftsbeilage des Falter, erkläre ich, warum ich Bildungs- und Wissenschaftsjournalismus für unverzichtbar und gleichzeitig für so gefährdet halte. Das Interview gibt es gekürzt online und hier in voller Länge zu lesen; zur e-Paper Ausgabe von Heureka geht’s hier entlang.
Magnetnadeln im Heuhaufen
Oliver Lehmann ist Vorsitzender des Klubs der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten, Sprecher von IST Austria und freier Autor (www.oliverlehmann.at). Am 25. Juni präsentiert der Klub die erste Studie zum Status der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten in Österreich, erstellt vom Medienhaus Wien (das Programm der Präsentation im Detail). Es handelt sich dabei auch um die erste Studie ihrer Art in Europa.
Heureka: An wen soll sich Wissenschaftsjournalismus richten? Und wo sehen Sie hier das größte Problem?
Lehmann: Wie jedes andere Ressort richtet sich Wissenschaftsjournalismus primär an die interessierte Leserschaft. Abweichend von anderen Ressorts wie Politik oder Wirtschaft sind im Wissenschaftsjournalismus Anspruch und Bedarf höher, Themen zu erklären. Ein ganz eindeutiges Ergebnis dieser Studie ist, dass sich Wissenschafts- und BildungsjournalistInnen als neutrale VermittlerInnen von Informationen verstehen. Anders gesagt: Wie wichtig die Nationalratswahl ist, weiß die Leserschaft (oder meint es zu wissen). Aber welche Bedeutung Graphen als Werkstoff der Zukunft hat, wird der allgemeinen Öffentlichkeit eher unbekannt sein. Gute WissenschaftsjournalistInnen sind so etwas wie die Magnetnadeln im Heuhaufen: Es gibt nicht viele, aber sie leisten unverzichtbare Orientierungshilfen.
Kann Wissenschaftsjournalismus in der heutigen Zeit überhaupt auf PR-Agenturen verzichten?
Lehmann: PR-Agenturen beziehungsweise ihre Aussendungen sind eine von mehreren Quellen, die WissenschaftsjournalistInnen heutzutage nutzen. Die Studie dokumentiert ganz klar, dass andere Quellen wie das persönliche Gespräch und die Auswertung von Fachzeitschriften eine höhere Bedeutung für die Recherche haben. PR-Agenturen können ihre Aufgabe sinnvoll erfüllen, wenn sie ihre Aussendungen transparent gestalten und das primäre Vermittlungsinteresse berücksichtigen.
Was ist schlecht an PR-Agenturen, wenn man deren Aussagen nicht kritiklos übernimmt?
Lehmann: Es ist immer sinnvoll, Quellen zu prüfen, egal ob es sich um Presseaussendungen von Universitäten, Forschungsgruppen, Fördereinrichtungen, Ministerien oder PR-Agenturen handelt. Jede dieser Informationsquellen verfolgt mit ihrer Veröffentlichung ein Interesse. Je transparenter dieses Anliegen offen gelegt wird, desto besser.
Sind freie Wissenschaftsjournalisten schlechter gestellt als freie Journalisten allgemein?
Lehmann: Der Anteil an sozial schlecht bis gar nicht abgesicherten JournalistInnen ist im Bildungs- und Wissenschaftsbereich deutlich höher als im Durchschnitt der heimischen Publizistik. Die Studie macht klar, dass der Wissenschaftsjournalismus in Österreich von prekären Beschäftigungsverhältnissen geprägt ist. Und das obwohl Wissenschafts- und BildungsjournalistInnen sehr erfahren sind und sich durch eine hohe Ausbildung auszeichnen. Konkret: Im Gegensatz zu den KollegInnen in den anderen Ressorts haben überdurchschnittlich viele ihr Studium auch abgeschlossen.
Wie sehen Sie die Zukunft des Wissenschaftsjournalismus und was könnten wir besser machen?
Lehmann: Immerhin ist es in den letzten Jahren gelungen, Bildung und Wissenschaft als Zukunftsthemen zu etablieren. Praktisch alle PolitikerInnen werden sich inzwischen dazu bekennen, dass die Investitionen in Bildung und Wissenschaft über die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft entscheiden. Nur ist es mit dem Bekenntnis nicht getan. Was es braucht, sind kompetente VermittlerInnen, die dank ihrer Ausbildung, Erfahrung und Arbeitssituation im Stande sind, die oft wirklich schwierigen Zusammenhänge zu erklären. Durch die Studie wird deutlich, dass für Recherche im österreichischen Wissenschafts- und Bildungsjournalismus oft zu wenig Zeit zur Verfügung steht. Aber die Prozesse im Hippocampus des menschlichen Gehirns lassen sich nun mal nicht als Glosse abhandeln. Wenn Bildungs- und WissenschaftsjournalistInnen diese Vermittlungs- und Erklärungsarbeit leisten sollen, dann brauchen sie auch vernünftige Rahmenbedingungen. Oder noch einfacher und streng kausal: Von nix kommt nix.
Präsentation der Studie zum Status von Bildungs- und WissenschaftsjournalistInnen in Österreich – erstellt vom Medienhaus Wien – am 25. Juni um 10.00 Uhr im Presseclub Concordia (Wien 1, Bankgasse 8)