Wer jemals einen Sommernachmittag damit verbracht hat, einen Ameisenhaufen im halbschattigen Wald zu beobachten, ist sowieso schon überzeugt; nämlich von der ungeheuren Organisationsfähigkeit, dem Geschick und dem Fleiß dieser Tiere, deren kollektive Orientierung sich aus einem vermeintlich undurchdringlichen Chaos entwickelt. Dementsprechend leicht fällt es nachzuvollziehen, warum sich Wissenschaftler wie Bert Hölldobler und Edward O. Wilson in sehr jungen Jahren entscheiden, ihren Erkenntnisdrang einer einzigen taxonomischen Familie zu widmen.
Die beiden Ameisenkundler haben – wie der Klappentext stolz vermerkt – „mehr als 100 gemeinsame Forscher-Jahre“ den Hautflüglern bislang gewidmet. Das führt zu – sagen wir – einer sehr fokussierten Sicht der Dinge, wie gleich dem Vorwort zu entnehmen ist: „Wie alle Myrmekologen (…) betrachten wir die Erdoberfläche gerne als Netzwerk von Ameisenkolonien“. Bei dieser zweiten, deutlich erweiterten Auflage des Klassikers aus dem Jahr 1995 bleibt wirklich kein Wunsch offen, keine Fragestellung unbeachtet. Herkunft, Fortpflanzung, Koloniebildung, Kommunikation, vermeintlicher Altruismus, Aggression und Verteidigung beschreiben die Autoren mit einem Interesse am Detail und einem Drang zum großen Überblick. Und mit fortschreitender Lektüre wird deutlich, dass die Autoren diesem Superorganismus der globalen Ameisenkolonie nicht nur bloß ihr gesamtes Forscherleben gewidmet haben – sondern selber längst Teil davon geworden sind.
„Auf den Spuren der Ameisen“ von Bert Hölldobler und Edward O. Wilson, übersetzt von Susanne Böll, Springer Spektrum, 420 Seiten, € 30,80