Ein Nachtrag zur Apokalypse laut Maya-Kalender? Würde man meinen, denn noch ist Jared Diamonds letztes Werk eindringlich in Erinnerung. In „Kollaps“ beschrieb der Biogeograph wie ökologisch fragile Zivilisationen sehenden Auges in die endgültige Katastrophe tappen, statt rechtzeitig umzukehren. Berühmt wurde sein Frage: „Was dachte sich der Osterinsulaner, der den letzten Baum auf dem Archipel fällte?“ In „Vermächtnis“ untersucht Diamond hingegen, „was wir von traditionellen Gesellschaften lernen können“. Das Wissen darüber hat sich Diamond in den letzten Jahrzehnten auf seinen Expeditionen in jene Weltgegenden erworben, in denen die Menschen noch in traditionellen Jäger- und Sammlerkulturen leben. Zwar fasziniert, aber fast immer mit der angemessenen Distanz beobachtet und beschreibt der späte Nachfahrer der Naturalisten des 19. Jahrhunderts die grundverschiedenen Modelle, um daraus seine These zu formulieren: Diese Kulturen können erstaunlich praktikable Anregungen dafür bieten, wie aktuelle individuelle und gesellschaftliche Probleme gelöst werden können, von der Kindererziehung über staatliche Konflikte bis zum Umgang mit Alter und Tod. Das klingt manchmal allzu beseelt, ist aber ob der Materialfülle und Stilistik (in sehr guter Übersetzung!) durchaus lesenswert.
„Vermächtnis“ von Jared Diamond, übersetzt von Sebastian Vogel, S. Fischer, 586 Seiten, € 25,70