Es mag so zynisch wie das Quartalsergebnis eines Hedgefonds klingen, doch die Finanzkrise hat auch ihre brauchbaren Seiten. 156 davon umfasst der vortreffliche Bildband über Island, den das Fotografenpaar Ollertz und Herbst eben vorgelegt hat.
Die Insel im Nordatlantik rückte für gefühlte dreieinhalb Minuten in das Zentrum der Weltwahrnehmung, als wegen der Krise die Regierung von Töpfe schlagenden WählerInnen vertrieben, ein Clown zum Bürgermeister von Reykjavik gewählt und eine neue Verfassung per Facebook debattiert wurde. Kurzum: Island hat sehr viel mehr zu bieten als anarchische Naturgeister, übellaunige Trolle, Björk Guðmundsdóttir (gut, das ist jetzt eine Tautologie) und also sehr viel sagenhafte Landschaft. Doch dieser Bipolarität am Polarkreis wurden die einschlägigen Verlage bislang nicht wirklich gerecht – bis zu diesem Band. Heike Ollertz setzt die Natur und ihre Gewalten auf berückende Weise und mit dramaturgisch grandiosen, technisch perfekten Farbaufnahmen ins Bild. Edgar Herbst konterkariert und komplettiert diese Wahrnehmung durch Permafrost-harte Reportagebilder in Schwarz-Weiß. Auf bezaubernde Szenarien des Himmels und der Erde folgen Fotos sturzbetrunkener Party-Elche beiderlei Geschlechts, die einen letzten Tanz auf den Vulkanen wagen, bevor sie sich anderntags in die heißen Quellen oder ins bürgerliche Leben verfügen. Der Bildband der Saison.
„Island“ von Heike Ollertz und Edgar Herbst. mare, 156 Seiten, € 59,70
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